Als "Barotrauma" werden alle Schädigungen und Funktionsstörungen des Körpers bezeichnet, die durch physikalische Druckdifferenzen bedingt sind. Barotraumen können in allen gasgefüllten Hohlräumen auftreten, die ganz oder teilweise vom Körper gebildet werden.
Prinzipiell kann man Barotraumen mit einem relativen Unterdruck im betroffenen Hohlraum von sogenannten "inversen Barotraumen" mit einem relativen Überdruck im betroffenen Hohlraum unterscheiden.
Alle Nasennebenhöhlen haben eine ständig geöffnete, knöcherne Verbindung zum Nasenraum (s.u. Anatomie.
Nasennebenhöhlen und Verbindungsgänge sind mit Schleimhaut ausgekleidet. Bei Veränderungen des Umgebungsdrucks erfolgt der Druckausgleich in den Nasennebenhöhlen unter Normalbedingungen automatisch.
Kommt es zu einem Verschluss des Verbindungsganges, z.B. im Rahmen einer Erkältung oder durch einen Schleimhautpolypen, so kommt es bei Erhöhung des Umgebungsdrucks innerhalb der Nasennebenhöhle zu einem relativen Unterdruck. Dieser Unterdruck bewirkt eine Schwellung der Schleimhaut.
Reicht die Volumenverkleinerung der Höhle durch die angeschwollene Schleimhaut nicht aus, um einen Druckausgleich in der Nasennebenhöhle zu erreichen, so kann es zur Einblutung in der Nasennebenhöhle kommen, bis der Druckausgleich hergestellt ist.
Sinkt der Umgebungsdruck, so herrscht in der Nasennebenhöhle ggf. aufgrund der Schleimhautschwellung und der Einblutung ein relativer Überdruck. Durch den Überdruck in der Nasennebenhöhle kommt es meistens zu einer Überwindung der Schleimhautblockade mit anschließendem Druckausgleich.
Dabei kann das aus der Nasennebenhöhle austretende Blut auch ein kurzfristiges Nasenbluten bewirken.
Inverses Barotrauma
Seltener als ein Barotrauma kann auch ein sogenanntes "inverses Barotrauma" der Nasennebenhöhlen auftreten.
Dies ist der Fall, wenn beim Abtauchen ein Druckausgleich in der Nasennebenhöhle erfolgen konnte, es dann aber mit zunehmender Tauchzeit und Unterkühlung des Körpers zu einer Schleimhautschwellung im Bereich des Nasennebenhöhlengangs kommt und so zum Verschluss des Hohlraums.
Beim Auftauchen besteht dann wie beim Barotrauma ein relativer Überdruck der Nasennebenhöhle, allerdings ohne eine massive Schleimhautschwellung und ohne Einblutung in die Nasennebenhöhle.
Mittelohr
Kommt es im Rahmen einer Erkältung zur Schleimhautschwellung im Bereich der Eustachischen Röhre oder wird ein korrekter Druckausgleich nicht rechtzeitig durchgeführt, so kann es wie in den übrigen Nasennebenhöhlen auch im Mittelohr zu einem Barotrauma durch relativen Unterdruck kommen.
Das Mittelohr ist wie die Nasenenbenhöhlen mit Schleimhaut ausgekleidet. Wie in den Nasennebenhöhlen kann es hier zu Schleimhautschwellung und Einblutung in den Hohlraum kommen. Als Besonderheit des Mittelohres sind jedoch bei einem Barotrauma auch das Trommelfell, das ovale Fenster und das runde Fenster betroffen.
Trommelfellriss
Bei zunehmendem Unterdruck im Mittelohr kommt es nicht nur zur Schwellung der Schleimhaut, sondern auch zur Erweiterung der Blutgefäße im Trommelfell, ggf. mit Einblutung in das Trommelfell.
Bei stärkeren Druckdifferenzen kann das Trommelfell auch einreißen und so beim Tauchen kaltes Wasser ins Mittelohr einströmen.
Inverses Barotrauma
Wie bei den Nasennebenhöhlen, so kann es auch im Mittelohr zu einem inversen Barotrauma kommen.
Diese relativ seltene Situation tritt auf, wenn beim Abtauchen der Druckausgleich über die Eustachische Röhre noch problemlos möglich war, es dann jedoch durch Reizung der Schleimhaut im Bereich der Eustachischen Röhre, z.B. beim mehrmaligem Abtauchen hintereinander oder bei Auskühlung durch lange Tauchzeiten in kaltem Wasser, zu einer Schwellung der Schleimhäute kommt.
Beim Auftauchen tritt als Folge ein relativer Überdruck im Mittelohr mit nach außen gewölbtem Trommelfell oder im Extremfall ein Trommelfellriss auf.
Innenohr
Als flüssigkeitsgefülltes Organ kann das Innenohr definitionsgemäß eigentlich kein Barotrauma erleiden. Da es aber bei einem schweren Barotrauma des benachbarten Mittelohres zu einer Funktionsstörung von Innenohrstrukturen kommen kann, wird der zugrunde liegende Mechanismus allgemein als Innenohrbarotrauma bezeichnet.
Innenohrbarotrauma
Bei einer starken Auslenkung des Trommelfells in Richtung Mittelohr kommt es über die Gehörknöchelchenkette zu einem tiefen Einpressen der Steigbügelfußplatte in das ovale Fenster. Durch den steigenden Druck in der Innenohrflüssigkeit wird das runde Fenster in Richtung Mittelohr gewölbt.
Bei stärkeren Druckunterschieden kann es anstelle eines Trommelfellrisses auch zu einem Einriss der Membran des runden Fensters kommen.
Ein Verlust von Innenohrflüssigkeit ins Mittelohr und/oder ein Eindringen von Luft ins Innenohr mit nachfolgenden Funktionsstörungen des Innenohres ist die Folge.
Ein Einriss der Membran des ovalen Fensters ist relativ selten, da sie durch die Steigbügelfußplatte und durch Bindegewebe verstärkt ist.
Vorbeugung
Wenn bei einem bestehenden Unterdruck im Mittelohr während des Abtauchens ein Druckausgleich mit dem Valsalva-Manöver durchgeführt wird, so sollte der Druckausgleich nicht erzwungen werden.
Während der Druckerhöhung im Nasen-Rachen-Raum durch das Valsalva-Manöver erhöht sich der Gewebedruck im gesamten Kopfbereich und damit auch der Druck der Innenohrflüssigkeit. Hierdurch wird der schon bestehende Druckunterschied zwischen Innenohrflüssigkeit und Mittelohrraum zusätzlich verstärkt und Gefahr des Einrisses der Rundfenstermembran vergrößert.
Gehörgang
Ein Barotrauma des Gehörgangs ist äußerst selten und tritt nur bei sehr eng sitzenden Kopfhauben von Tauchanzügen oder bei Verwendung von Ohrenstöpseln auf.
Durch unzureichenden Druckausgleich im Gehörgang bei komplettem Verschluss der äußeren Gehörgangsöffnung kann es bei Druckerhöhung zu einem relativen Unterdruck im Gehörgang kommen.
Entsprechend der Situation in den Nasennebenhöhlen oder im Mittelohr schwillt in diesem Fall die Haut im Gehörgang an, um das Gehörgangsvolumen zu verringern und einen Druckausgleich zu erreichen. Auch das Trommelfell verlagert sich in Richtung Gehörgang um das Gehörgangsvolumen weiter zu verringern.
Wie beim Mittelohrbarotrauma kann auch beim Barotrauma des Gehörgangs das Trommelfell reissen, wenn der Unterdruck im Gehörgang sehr ausgeprägt ist.
Augen und Gesichtshaut
Da der Maskenraum einen abgeschlossenen Hohlraum darstellt, der zum Teil vom Körpergewebe gebildet wird, kann es auch hier zu einem Barotrauma kommen. Wird beim Abtauchen nicht regelmäßig Luft durch die Nase in den Maskenraum ausgeatmet, hat das einen zunehmenden Unterdruck im Maskenraum mit Sogwirkung auf das Körpergewebe zur Folge. Die im Gegensatz zur Gesichtshaut wesentlich empfindlichere Bindehaut des Auges (= Augenweiß) reagiert hier zuerst mit einer Erweiterung der Gefäße und dann mit einer Einblutung in die Bindehaut. Stärkere Druckunterschiede können auch zu Rötung und Anschwellung der Gesichtshaut führen.
Haut
Wird mit einem Trockentauchanzug getaucht, so kann eine dem Maskenbarotrauma vergleichbare Symptomatik an der gesamten Körperhaut auftreten. Wenn man bei zunehmender Tauchtiefe nicht ständig zusätzliche Luft in den Anzug gibt, legt sich der Trockentauchanzug ähnlich einer Vakuumverpackung sehr eng an den Körper an.
Dort, wo sich Falten gebildet haben, können dann durch Sogwirkung streifenförmige Hautschwellungen und Einblutungen entstehen.
Helmtaucher
Das Barotrauma des Helmtauchers wurde früher auch als "äußeres Blaukommen" bezeichnet und entspricht vom Entstehungsmechanismus her dem oben beschriebenen Barotrauma der Haut bei Trockentauchanzügen.
Bei Helmtauchern mit Tauchanzügen, die mit dem Helm fest verbunden sind und mit diesem eine geschlossene Einheit bilden, kann bei unzureichender Luftzufuhr mit zunehmender Tiefe ein Unterdruckbarotrauma im gesamten Kopfbereich entstehen.
Entsprechend der Symptomatik beim Maskenbarotrauma kann hier eine Hautschwellung mit Einblutungen am gesamten Kopf (= "Blaukommen") auftreten.
Unterdruckbarotrauma der Lunge
Schnorcheln
Atmet ein Taucher durch einen Schnorchel, dann herrscht in seiner Lunge der atmosphärische Luftdruck. Abhängig von seiner Lage im Wasser wirkt von außen auf den Brustkorb ein unterschiedlich hoher hydrostatischer Druck.
Befindet sich seine Lunge z.B. in 50 cm Wassertiefe, herrscht an der Grenzfläche zwischen Lungenalveole und Lungenkapillaren eine Druckdifferenz von 1 bar in der Alveole zu 1,05 bar im Körpergewebe.
Hierdurch kommt es zu:
einer Verlagerung des Lungenvolumens in Richtung Ausatemstellung,
einer erschwerten Einatmung, da die Atemmuskulatur gegen den relativen
Unterdruck in der Lunge arbeiten muss und zu
einer vermehrten Blutfülle der Gefäße im Brustkorb.
Verlängert man den Schnorchel, um eine größere Tauchtiefe erreichen zu können, vergrößert man auch die oben beschriebene Druckdifferenz zwischen Lungenalveolen und Körpergewebe und verstärkt so die oben beschriebenen Effekte.
Ab etwa 0,1 bar Druckunterschied, d.h. in 1 m Wassertiefe, ist eine Einatmung durch die Atemmuskulatur nicht mehr möglich. Die Lunge befindet sich extremer Ausatemstellung, das Druckgefälle an den Alveolenwänden von 0,1 bar führt zu Schwellung des Lungengewebes und zur Flüssigkeitsansammlung in den Alveolen, zum "Lungenödem".
Durch den relativen Unterdruck im Brustkorb kann es außerdem zu einer Dehnung der Brustkorbgefäße mit einer vermehrten Blutfülle und zu einer Dehnung des Herzens mit der Gefahr von Herzschädigungen kommen.
Apnoetauchen
Versucht man mit angehaltenem Atem größere Wassertiefen zu erreichen, so muss an einen regelmäßigen Druckausgleich in beiden Mittelohren und in der Tauchmaske gedacht werden.
Darüber hinaus muss aber auch berücksichtigt werden, dass das Volumen der Lunge nicht beliebig verringert werden kann.
Entsprechend dem Gasgesetz von Boyle-Mariotte wird sich das Volumen einer Lunge mit einer Totalkapazität von 6 l bei einem Umgebungsdruck von 4 bar, in 30 m Wassertiefe, auf ein Lungenvolumen von 1,5 l verkleinern. Damit ist die Ausatemstellung der Lunge erreicht.
Das verbleibende Volumen entspricht dem Residualvolumen der Lunge, das auch bei maximaler Dehnung des Zwerchfells und bei max. möglicher Verkleinerung des Brustkorbes nicht ausgeatmet werden kann.
Werden dennoch größere Wassertiefen aufgesucht, so besteht eine Druckdifferenz zwischen Körpergewebe und Lungenvolumen mit der gleichen Problematik, wie beim Atmen durch einen verlängerten Schnorchel.
Der Weltrekord im Apnoe-Tieftauchen liegt zur Zeit bei über 120 m Wassertiefe.
Solche extremen Leistungen können jedoch nur durch jahrelanges Training erreicht werden, bei dem die Elastizität des Brustkorbs und des Zwerchfells sowie der Blutgefäße im Brustkorb vergrößert wird.
Helmtaucher
In Verbindung mit einem Barotrauma der Haut und des gesamten Kopfes (s.o.) kann es beim Helmtaucher auch zu einem Barotrauma der Lunge kommen (frühere Bezeichnung: "Inneres Blaukommen"). Da der Helmtaucher frei aus der Atmosphäre im Helm atmet, herrscht in der Lunge der gleiche (Unter-)Druck wie im Helm.
An der Grenzfläche Lungenalveole/Lungenkapillaren kommt es so zur gleichen Symptomatik wie beim Tauchen mit verlängertem Schnorchel oder beim Apnoe-Tauchen in extremen Tiefen.
Lungenüberdehnung
Im Gegensatz zu den inversen Barotraumen der Nasen-Nebenhöhle und der Mitteohren, welche eher selten auftreten, gehört das inverse Barotrauma der Lunge (= Lungenüberdehnung) zu den schwersten Taucherunfällen.
Eine Lungenüberdehnung kann auftreten, wenn Atemgas unter erhöhtem Druck eingeatmet und während des Aufstiegs nicht wieder abgeatmet wird.
Eine Lungenüberdehnung kann folgende Ursachen haben:
ungenügende Ausatmung
Stimmritzenverschluss
"Air-Trapping"
Ungenügende Ausatmung während des Aufstiegs
Würde ein Taucher mit einer Totalkapazität der Lunge von 6 l in 40 m Tiefe voll einatmen und ohne auszuatmen auftauchen, so müßte entweder sein Lungenvolumen an der Oberfläche 30 l betragen oder aber das Lungengewebe einer Druckdifferenz von 4 bar standhalten (5 bar in der Lunge gegenüber 1 bar Umgebungsdruck).
Selbst wenn dieser Taucher in 40 m Tiefe maximal ausgeatmet hätte, würde sich die Lunge bis zur Oberfläche gemäß Boyle-Mariotte auf 7,5 l ausdehnen, oder bei 6 l Lungenvolumen eine Druckdifferenz von 0,25 bar standhalten.
Versuche haben jedoch gezeigt, dass es in der Lunge bereits ab einem Überdruck von 0,1 bar (= 1 m Wassersäule) gegenüber dem umliegenden Gewebe zu einer Überdehnung und zum Zerreißen von Lungengewebe kommen kann. Beim Auftauchen unter Pressluftatmung muss daher kontinuierlich ein- und ausgeatmet werden.
Sobald unter Wasser auch nur ein einziger Atemzug aus einem Tauchgerät geatmet wurde, muss während des Aufstiegs ständig ausgeatmet werden. Die Forderung nach ständiger Ausatmung gilt insbesondere für schnelle Notaufstiege.
Stimmritzenverschluss
Die im Kehlkopf gelegenen Stimmbänder können sich krampfartig zusammenziehen und die Stimmritze verschließen, weiteres Atmen ist dann nicht mehr möglich.
Ursache für einen Stimmritzenverschluss kann eine Panik unter Wasser oder der Kontakt der Stimmritze mit kaltem Wasser sein. Bei vorhandenem Stimmritzenverschluss kommt es während des Auftauchens eher zum Zerreißen von Lungengewebe als zur Öffnung des Stimmritzenverschlusses durch den entstehenden Überdruck in der Lunge.
Air-Trapping
Akute Entzündungen mit Schleimhautschwellung oder narbige Veränderungen der Lunge durch überwundene Krankheiten können in den Bronchiolen kleinerer Lungenabschnitte Engstellen verursachen. Diese Atemwegsverengungen stellen für die Luft aus diesem Lungenabschnitt ein Strömungshindernis dar.
Trotz insgesamt normaler Ausatmung führt dies zu einer verringerten Ausatemgeschwindigkeit aus diesem Lungenbereich und kann bildlich gesprochen zur "Fesselung von Luft", engl.: Air-Trapping, führen. Hierdurch kann in dem betroffenen Lungenabschnitt während des Auftauchens ein vorübergehender Überdruck entstehen, der zu einer begrenzten Überdehnung der Lunge und evtl. zum Zerreißen von Lungengewebe führt.
Zähne
Zu einem Barotrauma der Zähne kommt es nur, wenn sich in diesem Bereich eine abgeschlossene Gasmenge befindet. Dies kann bei alten Amalgamfüllungen mit einer Randspaltbildung oder bei einer sehr ausgeprägten Karies der Fall sein.
Beim Auftauchen kann es entsprechend einem inversen Barotrauma der Nasennebenhöhlen zu einem Verschluss der freien Verbindung zur Mundhöhle kommen und damit zu einem relativen Überdruck im Hohlraum.
Magen-Darm-Trakt
Prinzipiell kann an jeder Stelle des Verdauungstraktes vom Magen bis zum Dickdarm ein inverses Barotrauma auftreten, insgesamt sind diese Barotraumen jedoch selten. Eine Überdehnung des Magens ist möglich, wenn unter Druck vermehrt Luft geschluckt wird, z.B. bei erzwungenem Druckausgleich mit dem Valsalva-Manöver.
Im Bereich des Darmes kann es besonders nach dem Genuss blähender Speisen zur Gasentwicklung während des Tauchgangs kommen. Kommt es im Bereich des Darms bei vorbestehenden Verwachsungen nach Operationen oder bei einem Leistenbruch zu einer Abschnürung abgeschlossener Gasmengen, so kann diese beim Auftauchen zur Gewebeüberdehnung und zur Gewebezerreißung führen.
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